Experte: Wieviel Alkohol ist gesund und wann macht er uns krank?

Alkohol Wein Sucht
Anzeige

Was sagt die Wissenschaft über die Zusammenhänge zwischen Alkoholkonsum und Gesundheit? Erfahren Sie von unserem Gastautor Prof. Dr. med Curt Diehm mehr über die Auswirkungen auch von moderatem Alkoholgenuss.

Der Alkohol ist mal wieder ins Gerede gekommen. „An extra glass of wine a day will shorten your life by 30 minutes“ titelte der englische „Guardian“ vor kurzem. Keine acht Wochen zuvor könnte man in den amerikanischen „Daily News“ lesen, dass moderater Alkoholgenuss ein entscheidender Schlüssel für ein langes Leben sei. Allen diese Meldungen gingen wissenschaftliche Studien voraus.

In den vergangenen Jahren haben sich unselige Publikationen mit dem Zusammenhang zwischen Alkoholkonsum und unserer Gesundheit befasst. In verschiedenen Expertenrunden kam man Ende der 1990er Jahre zu dem Ergebnis, dass ein geringer bis moderater Alkoholkonsum sogar einen günstigen Effekt auf das Herz-Kreislauf-Risiko haben könnte.

Aber selbst eine moderate Alkoholkonsum kann relativ schnell zu einer Abhängigkeit führen – mit daraus resultierenden Schäden für Leber, Bauchspeicheldrüse, Magen-Darm-Trakt, Stoffwechsel, sowie das Immun- und Herz-Kreislauf-System.

Prof. Dr. med. Curt Diehm leitet eine Praxis für Herz- und Gefäßkrankheiten in Ettlingen

Prof. Dr. med. Curt Diehm leitet eine Praxis für Herz- und Gefäßkrankheiten in Ettlingen und war über viele Jahre Präsident der Deutschen Gesellschaft für Gefäßmedizin und über 20 Jahre lang Vorsitzender der Deutschen Liga zur Bekämpfung von Gefäßerkrankungen

Richtwerte: Wieviel Alkohol darf man trinken?

Erwachsene in Deutschland trinken jährlich 10,7 Liter Alkohol. Das entspricht rund 165 Gramm pro Woche. Inzwischen liegen die Richtwerte bei uns in Deutschland bei bei maximal 12 Gramm Alkohol pro Tag bei Frauen und 24 Gramm Alkohol bei Männern. Umgerechnet auf Getränke bedeutet das, bei Frauen wären 0,3 Liter Bier oder 0,15 Liter Wein unschädlich, bei Männern das Doppelte. Allerdings scheint die Alkoholverträglichkeit der Menschen national unterschiedlich zu sein. 

Und leider zeigen neueste Studien, das mit jedem Gramm getrunkenen Alkohols, das Krebsrisiko linear ansteigt, und zwar für Männer und für Frauen. Man kann nichts mehr beschöniigen. Unabhängig von der Menge schadet Alkohol ihrer Gesundheit.

Alkohol verkürzt das Leben

Im Jahre 2018 kam eine  Untersuchung der University of Cambridge zu dem Ergebnis, dass selbst geringe Mengen von Alkohol die Lebenserwartung verkürzen. Für die Untersuchung, die ihm angesehenen Wissenschafts Magazin „THE LANCET“ veröffentlicht wurde, hatten die Wissenschaftler insgesamt fast 100 Studien mit 600.000 Teilnehmern ausgewertet und die Ergebnisse zusammengestellt. Hier die wichtigsten Resultate im Überblick:

  • Ab einer Menge von 100 Gramm Alkohol pro Woche – das entspricht etwa einer Flasche Wein oder 2,5 Liter Bier – wirkt Alkohol bei Männern und Frauen so schädlich, dass die Lebenserwartung sinkt.
  • Sie sinkt bei 100-200 Gramm Alkohol pro Woche um sechs Monate, bei 200-250 Gramm Alkohol pro Woche um ein bis zwei Jahre und bei mehr als 250 Gramm sogar und bis zu fünf Jahre.

Mit der Menge des Alkoholkonsums erhöhen sich die Risiken für Schlaganfall, Herzinsuffizienz, Bluthochdruck und Herzinfarkt. Gleiches gilt für die Risiken für Krebs – bei Frauen, insbesondere auf Brustkrebs –, für Erkrankungen der Leber, Diabetes und natürlich auch die Folgen des mit hohem Alkoholkonsums oft einhergehen den Übergewichts.

Dabei ist Rotwein auch nicht gesünder als anderer Alkohol. Das „Französische Paradoxon“ wird höchstwahrscheinlich nicht erklärt durch die Alkoholmenge an Rotwein, sondern durch die mediterrane Kost und den entspannten Lebensstil der Franzosen.

Alkohol: Das unterschätzte Krebsrisiko

Man kann es nicht beschönigen: Alkohol ist die schlimmste Droge der Welt – weil er überall für wenig Geld und legal zu haben ist. Jahrtausende lange hatten alkoholhaltige Getränke einen exzellenten Ruf. Seit über 9.000 Jahren trinken Menschen, Wein und Bier. Hippokrates schätzte Alkohol als schmerzlinderndes Allheilmittel.

Das deutsche Krebsforschungsinstitut in Heidelberg und die Weltgesundheits Organisation (WHO) listet heute Alkohol als Risikofaktor für die Entstehung von Krebs an vorderster Stelle. 

Alkohol ist ein Toxin, ein Zellgift, dass nahezu alle Zellen des Körpers schädigen kann. Alkohol schädigt Zellen von Frauen stärker als die von Männern. Schon ab 10 Gramm Alkohol wird es riskant. Neuere Studien zeigen vor allem den schädigen den Effekt auf Mutationen im Erbgut als Ursache für die Krebsentstehung.

Eine absolute Katastrophe ist Alkohol in der Schwangerschaft. Mehr als 10.000 Kinder erblicken jährlich bei uns Alkohol geschädigt das Licht der Welt. Diese Kinder haben oft schwerste Entwicklungsstörungen bis hin zur späteren vollständigen Pflegebedürftigkeit.

Alkoholsucht kann behandelt werden

Wer täglich Alkohol trinkt, gilt bereits als süchtig je nach Schwere und Ausprägung der Alkoholsucht erfolgte Behandlung in mehreren Phasen – ambulant oder stationär – und unter Einbeziehung von Angehörigen, Therapeuten und Selbsthilfegruppen. In der Vergangenheit galt die komplette Enthaltsamkeit vielen Therapeuten als die einzig erfolgversprechende Methode. Jeder Tropfen Alkohol war in der Phase der Entwöhnung und auch danach verboten.

Heute gibt es auch ein alternatives Konzept, einen alternativen Weg aus dem Alkoholproblem. Experten propagieren in der Entwöhnung, das so genannte kontrollierte Trinken (kT). Viele Psychiater und psychosomatische Ärzte gehen diesen Weg. Die Therapeuten fordern Trinktagebücher, erwarten alkoholfreie Tage und das Trinken von klar festgelegten Mengen. Die Alkoholgefährdeten sollen lernen, ganz bewusst und achtsam mit Alkohol umzugehen.

Die Therapie des kontrollierten Trinkens ist in Deutschland noch nicht so etabliert wie in anderen Ländern. In der Schweiz, in Frankreich, den Niederlanden und England ist diese Therapieform deutlich bekannter.

Mein Fazit am Schluss: 

Weniger ist mehr! Die Botschaft kann aber nicht sein: Trinke gar nichts! Sondern: Wenn Sie Ihr Krebsrisiko verringern wollen, trinken Sie weniger! 

Und wenn sie keinen Alkohol trinken, dann fangen Sie am besten schon gar nicht damit an. 

Leider gibt es keine Menge an Alkohol, die bedenkenlos konsumiert werden kann. Die meisten Ernährungsstudien sind Beobachtungsstudien, das heißt, Sie sind nicht dazu geeignet kausale Zusammenhänge festzustellen. Sie können nur Korrelationen aufzeigen. Mit der Mär eines „gesunden Alkoholgenuss“ ist es ein für alle Mal vorbei.  

Übrigens wenn man wissen will, ob ein Glas Wein gesund oder krank macht, kommt man bei einer kritischen Sicht der bislang vorliegenden Studien zu folgendem Schluss: 

50 Prozent der Studien zeigen, dass ein Glas Wein gesund ist und 50 Prozent zeigen, dass ein Glas Wein schädlich ist. Eine Mär ist offenbar auch, dass Alkohol gesund für Herz und Gefäße ist. Wir Kardiologen und Gefäßspezialisten gehen heute davon aus, dass Alkohol doch keine Herz-und gefäßschützende Wirkung hat. Wer herzgesund bleiben will, braucht dazu keinen Alkohol. Es gibt keine gesundheitliche Legitimation für das Trinken. Frühere häufig beschriebene Gesundheitswirkungen des Alkohols sind wahrscheinlich das Ergebnis von Fehlern in der Statistik, schlussfolgert das renommierte British Medical Journal.

Auch interessant:

Bildquelle:

  • Curt Diehm: Curt Diehm
  • Alkohol Wein Sucht: © Friends Stock/stock.adobe.com